Historie

Der Anfang: Die Ära Willi Münch

Die Geschichte des Nürnberger Akkordeonorchesters (NAO) beginnt im Jahre 1946. Eines Tages erscheint in der Nürnberger Presse ein Artikel der IG Metall Jugend, in dem die Gründung eines Akkordeonorchesters angeregt wird. Trotz der enormen Probleme der Nachkriegsjahre haben tatsächlich etwa ein Dutzend junger Leute Interesse am gemeinsamen Musizieren. Mit der Leitung der Gruppe wird Willi Münch beauftragt.

Die Aufgabe ist nicht leicht zu bewältigen: Spieler mit unterschiedlichsten musikalischen Vorstellungen und Kenntnissen müssen zu einer möglichst homogenen Gruppe zusammengeführt werden. Trotzdem findet bereits im Juni 1947 das erste öffentliche Konzert statt auf das noch viele weitere Auftritte folgen.

Schon bald wird deutlich, dass eine stetige Leistungsentwicklung nur über eine intensive und einheitliche Unterrichtsweise der einzelnen Spieler erreicht werden kann. In seiner Musikschule widmet sich Willi Münch dieser Aufgabe und schafft so die Grundlage für den stetigen Nachwuchs des Orchesters.

Unterstützt wird er bei dieser Aufgabe von seiner Frau Paula Münch und Herbert Bausewein. Zur Vorbereitung auf das Orchesterspiel dient das Jugendorchester unter der Leitung von Paula Münch sowie ein zweites Akkordeonorchester das 1956 von Herbert Bausewein gegründet und geleitet wird. Zeitweise existiert sogar ein drittes Nachwuchsorchester, in dem die jungen Spielerinnen und Spieler auf die Arbeit im „großen“ Orchester vorbereitet werden. Die Erfolge der Nachwuchsorchester übertreffen in ihrer Leistungsklasse sogar immer wieder die Erfolge des NAO und haben erheblichen Anteil am hervorragenden Ruf der Musikschule Münch.

Diese einheitliche Ausbildung führt im Laufe der Zeit zu jener klanglichen Homogenität die dem Orchester zu einer Vielzahl von Erfolgen auf nationalen und internationalen Wettbewerben verhilft. Gerade die Teilnahme an der ersten deutschen Akkordeon-Meisterschaft 1952 in Radolfzell muss hier erwähnt werden. Ohne große Erwartungen zu hegen, entschloss man sich zur Teilnahme um sich einen ersten bescheidenen Überblick über die eigenen Fähigkeiten zu machen. Dass das Orchester mit Abstand den ersten Preis gewinnen würde, hätte keiner der überraschten Spieler zu denken gewagt. Dieser erste große Sieg soll aber nur der Anfang sein. In den Jahren darauf folgen noch viele weitere Erfolge – so viele, dass Willi Münch die übermütig gewordenen Musiker manchmal ermahnen muss, sich nicht auf den bereits verdienten Lorbeeren auszuruhen.

Der Erfolg des Orchesters bleibt nicht unbemerkt: Es folgen Konzerteinladungen ins Ausland. Eine Vielzahl von Konzertreisen von Frankreich bis Russland und von Norddeutschland bis Italien wird unternommen. Der Bayerische Rundfunk wird auf das Orchester aufmerksam und verhilft (bis zum heutigen Tage) zu einer Vielzahl von Einspielungen.

Die bekanntesten Akkordeon-Solisten der damaligen Zeit geben sich auf den Nürnberger Konzerten des Orchesters die Klinke in die Hand: Hermann Schittenhelm, Rudolf Würthner, Davide Anzaghi, Fritz Dobler oder Gisela Walther (um hier nur ein paar Namen nennen zu wollen).

Der Name „Willi Münch“ und das „Nürnberger Akkordeonorchester“ werden zu zwei Markenbegriffen, die bis heute untrennbar sind. Die kreative Arbeit Willi Münchs machte das Orchester zu dem Klangkörper, den es noch heute darstellt.

Der Komponist und Arrangeur Willi Münch

Neben Willi Münchs ausgezeichneter pädagogischer Arbeit spielt auch seine Arbeit als Komponist und Arrangeur für die Entwicklung des Orchesters eine große Rolle. Seine Bearbeitungen klassischer Werke, die er speziell für sein Nürnberger Akkordeonorchester oft auch in Zusammenarbeit mit Herbert Bausewein arrangiert, machten das Orchester weit bekannt und stellen noch heute eine Bereicherung der Akkordeonliteratur dar. Zudem setzt er sich für Werke zeitgenössischer Komponisten wie Waldram Hollfelder oder Werner Heider ein und macht damit das Engagement für moderne Musik bereits damals zu einem der langfristigen Ziele des Orchesters.

Willi Münchs Tod im Herbst 1987 bedeutet für das Orchester einen großen Verlust. Um den Fortbestand des Orchesters zu sichern, war schon 1986 die Gründung eines Vereins initiiert worden. Mit der Unterstützung zahlreicher aktiver und passiver Mitglieder gestaltet eine Vorstandschaft bis heute erfolgreich die Belange des Vereins und sichert den Fortbestand des Orchesters.

Die Zeit nach Willi Münch

Im Januar 1988 übernimmt Prof. Irene Urbach die musikalische Leitung des Orchesters. Auch unter der neuen Dirigentin kann die Erfolgsserie fortgesetzt werden. Insbesondere im Bereich der Neuen Musik entwickelt sich das Orchester weiter. Diese Fortentwicklung kommt schließlich 1991 in der Einspielung der CD ACCORDEONOVA mit ausschließlich zeitgenössischer Musik zum Ausdruck. Für sein außergewöhnliches Engagement in diesem Genre wird das Nürnberger Akkordeonorchester 1993 mit dem Kulturförderpreis der Stadt Nürnberg ausgezeichnet und somit der hohe Stellenwert des Orchesters im kulturellen Leben Nürnbergs hervorgehoben.

1995 übernimmt Gerhard Koschel aus Passau das Orchester. Ganz im Sinne Willi Münchs der sehr viel Wert auf das sogenannte „kultivierte Spiel“ legte, führt Koschel das Ensemble zu neuen Erfolgen. Mit ihm kann das NAO wieder an die großen Erfolge aus der Zeit Willi Münchs anknüpfen. 1995 erreicht das Orchester unter seiner Leitung mit einer Uraufführung einen hervorragenden 5. Preis beim Internationalen Akkordeonfestival in Innsbruck. 1996 gewinnen die Nürnberger den 1. Preis beim internationalen Akkordeonfestival in Kopenhagen.

Der „Antriebsmotor“ Stefan Hippe

Seit 1998 ist Stefan Hippe Dirigent und „Antriebsmotor“ des NAO. Als ehemaliger Schüler von Herbert Bausewein, Student von Willi Münch und Dirigent des damaligen Schülerorchesters der Musikschule Münch, kennt er die klanglichen und technischen Möglichkeiten des Orchesters sehr gut. Unermüdlich fordert und fördert er das Ensemble und führt es zu Höchstleistungen. Sein großes musikalisches Wissen und seine ausgeprägte Musikalität sowie seine Fähigkeit, das Orchester stets zu motivieren und sich mit ihm immer wieder auf Neues einzulassen, zählen zu Hippes großen Talenten. Niemals zuvor in der Orchestergeschichte konnte man spontan auf ein so großes Repertoire zurückgreifen: Werke von Bach bis Strawinsky sind in den Programmen der Konzerte zu finden. Neue Musik und die Weiterentwicklung der Akkordeonorchesterliteratur ist Stefan Hippe, wie schon dem Gründer Willi Münch und dem Orchester, ein großes Anliegen. 1998 wurde von ihm die Konzertreihe ACCORDEONOVA (nach der gleichnamigen CD-Reihe) ins Leben gerufen die ausschließlich Neue Musik für Akkordeon präsentiert. Bis zum Jahr 2011 wurden so unter seiner Leitung 27 Werke uraufgeführt. Namhafte Komponisten wie Moritz Eggert, Adolf Götz oder Bronislaw Przybylski schreiben eigens für Stefan Hippe und das Orchester ihre Werke.

Bei den großen nationalen und internationalen Musikwettbewerben für Akkordeonorchester erzielen die Nürnberger mit Stefan Hippe Traumergebnisse. Beim Deutschen Orchester-Wettbewerb 2008 in Wuppertal erspielt man sich einen 1. Preis mit der maximalen Punktzahl. In den Jahren 1998 und 2001 wird das NAO beim International World-Music-Festival Innsbruck jeweils 3. Preisträger in der Orchester Höchststufe. 2004 und 2010 erklimmen sie schließlich das Siegertreppchen und werden jeweils 1. Preisträger in der Orchesterkategorie des Festivals (2004 mit der Höchstpunktzahl!). Neben diesen Wettbewerbserfolgen erhält das Orchester unter Hippes Leitung aber auch von kultureller und staatlicher Seite höchste Auszeichnungen. 2004 wird dem NAO der Preis des Kultur-Fonds der Familie von Tucher verliehen, 2007 erhalten sie den Förderpreis des Bezirks Mittelfranken.

Durch Hippes Engagement können immer wieder bekannte Solisten und Künstler für Konzerte des Nürnberger Akkordeonorchesters verpflichtet werden. Hervorzuheben sind hier u. a. die Akkordeonisten Stefan Hussong und Werner Glutsch, die Sopranistin Irene Kurka und der Gitarrist Klaus Jäckle sowie der „hauseigene“ Solist und Konzertmeister Fred Munker. Auch Projekte wie das „Peter und der Wolf – auf fränkisch“-Konzert mit dem Mundartdichter Günter Stössel oder der „Hildegard Knef“-Abend mit der Berliner Sängerin Heleen Joor in der Katharinenruine in Nürnberg oder beim World Music Festival Innsbruck 2010 sind vielen Zuhörern noch gut in Erinnerung.


Zurück zur Orchesterbesetzung